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Der schwarze Kanal
Die Sendung nahm das
BRD-Fernsehen ins Visier

Seit 1960 gehörte „Der schwarze Kanal“ zum wöchentlichen Sendeprogramm. Als „Kläranlage im Äther“ verstand sich Journalist und Moderator Karl-Eduard von Schnitzler, wenn er sich ausgewählten Beiträgen des BRD-Fernsehens zur aktuellen Politik widmete und sie harsch und bissig kommentierte. Die stereotype Kritik aus dem Westen, die ihn als „Lügner“, „Scharfmacher“ und anderen negativen Bezeichnungen titulierte, ließ „Kled“, wie er von Freunden genannt wurde kalt: „Man hat mir noch keinen Fehler in meiner Argumentation nachweisen können“, erklärte er dazu. Die Analyse des Klassenfeindes war sein Programm, dem er bis zu seinem Tod im November 2001 treu blieb.

In der DDR gehörte er zu den bekanntesten Journalisten, auch wenn sein „Kanal“ nie die höchsten Einschaltquoten erzielte... Er war umstritten, blieb jedoch standhaft und verließ sein Studio erst, als sich 1989 die politischen Verhältnisse in der DDR änderten.

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Sendeplatz und Inhalte

Im März 1960 – auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen des Kalten Krieges – erschien „Der Schwarze Kanal“ erstmals auf dem Bildschirm. Der Titel der Sendung zielte auf die die Inhalte des westdeutschen Fernsehens ab, das wie die dortige politische Führung in der Regel die Existenz der DDR mit allen Mitteln in Frage stellte.

Aus der Moderation der ersten Sendung:
„Der Schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwässer; aber statt auf Rieselfelder zu fließen, wie es eigentlich sein müßte, ergießt er sich Tag für Tag in hunderttausende westdeutsche und westberliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf welchem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt: Der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen."

Fester Programmplatz war der Montag nach dem „alten Spielfilm“ (aus UFA-Archiven, die der DEFA zur Verfügung standen) gegen 21.30 Uhr. Rund 20 Minuten dauerte eine Ausgabe des Kanals – etwa je zur Hälfte aus Fernsehausschnitten und politischem Kommentar bestehend. Seit jeher wurde sie am darauffolgenden Tag gegen 11.30 Uhr im Vormittagsprogramm wiederholt, ab den 80er Jahren fand sie einen weiteren Wiederholungsplatz am Dienstagabend um 18.30 Uhr im erweiterten Vorabendprogramm des 2. Programms.

Charakteristisch war die Erkennungsmelodie der 60er Jahre, die beschwingt und eingängig war. Sie unterlegte den Vor- und Abspann, bei dem sich die Sendesignets der westdeutschen Sender ARD und ZDF aus einem Nebel heraus um Fernsehantennen drehten und sich danach ein stark abgemagerter Bundesadler (der „Pleitegeier“) auf die Antennen setzte. – In den 70er Jahren (nach Einführung des Farbfernsehens) wurde ein neuer Vorspann hergestellt; nun erschien der Bundesadler als Orginalsignet, er war jedoch mit einer schwarz-weiß-roten Scherpe, den Flaggenfarben von militaristischem Kaiserreich, der Hakenkreuz- und der Reichskriegsflagge der Nazis, ausgestattet. Die politisch noch deutlichere Botschaft fand weiteren Ausdruck in der graphischen Schriftgestaltung des Sendetitels, bei der das Wort „schwarz“ in gothisch-kantigen Lettern erschien. Die Titelmelodie war darüber hinaus eine Verzerrung der west- und großdeutschen Nationalhymne.

Die in der Sendung verwendeten Beiträge stammten zumeist aus Nachrichtensendungen („Tagesschau“, „heute“) und Polit-Magazinen („Kontraste“, „Kennzeichen D“, „Panorama“ u.a.) des BRD-Fernsehens sowie aus der „Abendschau“ des Westberliner SFB-Fernsehens und wurden unter dem ausgewählten Titel der Sendung zu einer Collage zusammengestellt. Auch Äußerungen und Redeausschnitte von Politikern aus der BRD und Westberlin wurden verwendet. Die Fernsehausschnitte wurden mit der Einblendung „Bild und Ton: Westfernsehen (später: BRD-Fernsehen)“ gekennzeichnet.

In den sich anschließenden Kommentaren dienten die Ausschnitte Karl-Eduard von Schnitzler dazu, die Absichten westlicher Politik und die Erscheinung des „gewöhnlichen Kapitalismus´" zu entlarven und in den Gegensatz zur Politik der DDR zu rücken. Bevorzugte Themen waren dabei die sozialen Verwerfungen in kapitalistischen Ländern (insbesondere BRD und Westberlin), die feindliche Einstellung von Politikern gegenüber der DDR, Hochrüstung und internationale Spannungsfelder (Krisenherde in Indochina, Mittelamerika und im südlichen Afrika sowie die südafrikanische, von westlichen Politikeren geduldete und geförderte Apartheidpolitik).

Bisweilen überraschte Karl-Eduard von Schnitzler die Zuschauer durch besondere Pointen, z.B. als er in einer Sendung das Glas erhob und erklärte: „Stoßen wir an... auf unsere Feinde...!“







Karl-Eduard von Schnitzler
(1918-2001)

Der Journalist hatte eine nicht typische Biografie vorzuweisen, entstammte der doch nicht einer typischen Arbeiterfamilie, sondern einer rheinischen, wilhelminisch geadelten Familie des Großbürgertums. Als Vierzehnjähriger  jedoch galt sein Interesse bereitsder sozialistischen Weltanschauung und so wurde er Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Bereits 1933 wurde er deswegen kurzfristig von den deutschen Faschisten verhaftet. In Köln legte er 1937 sein Abitur ab. Im 2. Weltkrieg wurde von Schnitzler an die Fronten Afrikas und Frankreichs geschickt. Nach Landung der anglo-amerikanischen Truppen in der Normandie lief er zu den Briten über und wurde dort nach kurzer Gefangenschaft Mitarbeiter des deutschsprachigen Dienstes der BBC. Nach Kriegsende war er als Journalist beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Köln tätig, wurde dort jedoch 1947 aus Gesinnungsgründen entlassen. Er siedelte in die damalige sowjetische Besatzungszone über und fand eine neue Wirkungsstätte beim Berliner Rundfunk und dem damaligen Deurschlandsender, wo er bald zum Chefkommentator aufstieg. 1948 trat er der SED bei. Bereits in den frühen 50er Jahren widmete er sich dem jungen Medium Fernsehen; ab 1956 moderierte er dort die publizistische Sendung „Treffpunkt Berlin“, die ihren Vorläufer unter gleichem titel schon früher im Rundfunk hatte und in der von Schnitzler mit westlichen Journalistien diskutierte, bevor er im März 1960 den „Schwarzen Kanal“ ins Leben rief. Neben dieser Tätigkeit wirkte er als Kommentator in Rundfunk und Zeitungen sowie als Autor von Dokumentarfilmen der DEFA und des Fernsehens, in denen er zumeist auch selbst die Texte sprach; zu diesen Filmen gehörten politische („Ein Sonntag im August“, 1961, „Die qualvolle Gründung der Bundesrepublik“, 1989), aber auch andere publizistische Themen wie Reportagen über das Eichsfeld oder die Ostseeküste. Erstmals „privat“ erschien Karl-Eduard von Schnitzler 1989 in der Sendung „Klönsnack aus Rostock“, in der er über seine Leben und seine journalistische Arbeit berichtete.

Seine Arbeit war immer von hoher Ernsthaftigkeit geprägt, lachen sah man Karl-Eduard von Schnitzler auf dem Bildschirm selten. Im „Kanal“ moderierte er nach selbstgeschriebenen Manuskripten, die er jedoch nicht vom Blatt, sondern von einem Textpräsentator ablas, um den Blickkontakt zum Zuschauer zu behalten. Typisch geworden ist sein kurzer Blick auf den Film-Monitor, bevor die nächsten Ausschnitte eingespielt wurden.


Karl-Eduard von Schnitzler moderierte die allermeisten der insgesamt 1519 Sendungen selbst. Nur bei Urlaubs- und anderen Reisen sowie bei den wenigen Fällen von Krankheit übernahmen andere Journalisten des Fernsehens die Herstellung und Moderation; zu den bekanntesten von ihnen gehören die politischen Kommentatoren Heinz Grote und Günter Herlt.

Die sich abzeichnenden politischen Veränderungen in der DDR führten zum Abschied des Trägers der Vaterländischen Verdienstmedaille und des Karl-Marx-Ordens, Karl-Eduard von Schnitzler, von „seinem“ Adlershofer Sender. In seiner letzten nur sieben Minuten dauernden Sendung (erstmals ohne Fernsehausschnitte) am 30. Oktober 1989 kündigte er an, weiter journalistisch aktiv zu bleiben. Er löste dieses Versprechen ein durch die Autorenschaft von Büchern („Der rote Kanal/Armes Deutschland“, 1992, und „Provokation“, 1993) und Artikeln in progressiven Zeitschriften (u.a. „Kalaschnikow“). 1991 produzierte der Hessische Rundfunk eine Porträtsendung über Karl-Eduard von Schnitzler, die im Spätabendprogramm der ARD ausgestrahlt wurde. Darüber hinaus war er in einigen wenigen Talkshows zu Gast.
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Interview mit K.-E. von Schnitzler anlässlich seines 65. Geburtstages (28.04.1983, Radio DDR)
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